Nähe und Abschied

Die enge Beziehung, die im Laufe der Zeit zu den kleinen Schweinchen entsteht, je besser ich sie kennen und lieben lerne mit ihren ganz individuellen Eigenschaften, erinnert mich an eine Geschichte aus dem „Kleinen Prinzen”, die ich sehr gerne mag:

Der kleine Prinz war sehr traurig.

In diesem Augenblick erschien der Fuchs:
„Guten Tag”, sagte der Fuchs.
„Guten Tag”, antwortete höflich der kleine Prinz, der sich umdrehte, aber nichts sah.
„Ich bin da”, sagte die Stimme, „unter dem Apfelbaum...”
„Wer bist du”? sagte der kleine Prinz. „Du bist sehr hübsch...”
„Ich bin ein Fuchs”, sagte der Fuchs.
„Komm und spiel mit mir”, schlug ihm der kleine Prinz vor. „Ich bin so traurig...”
„Ich kann nicht mit dir spielen”, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!”
„Ah, Verzeihung!” sagte der kleine Prinz.
Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu:
„Was bedeutet das: ‚zähmen’?” (...)
„Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache”, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch  nichts als ein kleiner Knabe, der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchst mich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht. Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig sein in der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt...”
„Ich beginne zu verstehen”, sagte der kleine Prinz. „Es gibt eine Blume... ich glaube, sie hat mich gezähmt...”
(...) Aber der Fuchs kam auf seinen Gedanken zurück:
„Mein Leben ist eintönig. Ich jage Hühner, die Menschen jagen mich. Alle Hühner gleichen einander, und alle Menschen gleichen einander. Ich langweile mich also ein wenig. Aber wenn du mich zähmst, wird mein Leben wie durchsonnt sein. Ich werde den Klang deines Schrittes kennen, der sich von allen andern unterscheidet. Die anderen Schritte jagen mich unter die Erde. Der deine wird mich wie Musik aus dem Bau locken. Und dann schau! Du siehst da drüben die Weizenfelder? Ich esse kein Brot. Für mich ist der Weizen zwecklos. Die Weizenfelder erinnern mich an nichts. Und das ist traurig. Aber du hast weizenblondes Haar. Oh, es wird wunderbar sein, wenn du mich einmal gezähmt hast! Das Gold der Weizenfelder wird mich an dich erinnern. Und ich werde das Rauschen des Windes im Getreide liebgewinnen.”
Der Fuchs verstummte und schaute den Prinzen lange an:
„Bitte... zähme mich”, sagte er. (...)
„Was muss ich da tun?” sagte der kleine Prinz.
„Du musst sehr geduldig sein”, antwortete der Fuchs. „Du setzt dich erst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können...”
(...)
So machte denn der kleine Prinz den Fuchs mit sich vertraut. Und als die Stunde des Abschieds nahe war:
„Ach!” sagte der Fuchs, „ich werde weinen.”
„Das ist deine Schuld”, sagte der kleine Prinz, „ich wünschte dir nichts Übles, aber du hast gewollt, dass ich dich zähme...”
„Gewiss”, sagte der Fuchs.
„Aber nun wirst du weinen!” sagte der kleine Prinz.
„Bestimmt”, sagte der Fuchs.
„So hast du also nichts gewonnen!”
„Ich habe”, sagte der Fuchs, „die Farbe des Weizens gewonnen.”

(Ausschnitte aus: „Der kleine Prinz” von Antoine de Saint-Exupéry)